Ein König im Dienst

Ob offizielle Staatsbesuche mit pompösem Zeremoniell, Lösegeldverhandlungen oder Bestechungsversuche – das königliche Tagesgeschäft hielt eine Menge Überraschungen bereit. Dabei hatte eine öffentliche Anhörung in Whitehall Palace einen anderen Charakter als ein strategisches Gespräch im Studierzimmer des Königs. Jeder dieser Anlässe erforderte entsprechende Räumlichkeiten. Opulent und teuer ausgestattet mussten sie sein, um Charles II angemessen in Szene zu setzen. Woher aber nahm der König die Inspiration für die Ausstattung seiner Paläste? Und war wirklich alles Silber, was da glänzte? 

 

 

WO? Whitehall und Windsor als wichtigste Audienzorte

Der Blick auf die Burg Windsor Castle, die sich auf einem Felsen hinter einer Landschaft erhebt.
Johannes Vorsterman, Blick auf Windsor Castle, ca. 1678–1682 (Kat. Nr. 3.1)

Windsor Castle ist bis heute das größte und älteste bewohnte Schloss der Welt. Charles II ließ den mittelalterlichen Bau aufwendig modernisieren und machte das landschaftlich reizvoll gelegene Schloss zu seiner wichtigsten Sommerresidenz. Das Hauptaugenmerk dieser Ansicht liegt auf dem 1675/76 neu errichteten Star Building, welches durch den Lichteinfall besonders hervorgehoben wird. Der Name des Gebäudes verweist darauf, dass die Fassade von einem riesigen vergoldeten Stern geziert war. Dieser bezog sich einerseits auf den Ordensstern des Hosenbandordens, dessen wichtigster Versammlungsort Windsor Castle war (und ist). Andererseits konnte der Stern als Anspielung auf die ungewöhnliche Himmelserscheinung bei Charlesʼ Geburt verstanden werden. Der Umstand, dass an seinem Geburtstag tagsüber ein Stern am Himmel zu sehen gewesen war, galt als Zeichen seiner besonderen Erwähltheit. Johannes Vorstermans Gemälde setzt dies durch die Lichtregie subtil in Szene. Die Sonne beleuchtet speziell das Star Building, was wie ein Zeichen Gottes zur Verherrlichung der königlichen Macht wirkt.

– L. Kl. 

 

Die reich verzierte St. Georges Hall in Windsor Castle, pompöse Deckengemälde
Charles Wild, St George’s Hall, Windsor Castle, 1816 (Kat. Nr. 3.2)

Glanz und Gloria demonstrierten die Macht eines Königs. Charles II nutzte die barocke Ausgestaltung der neu hergerichteten Räume in Windsor Castle als Mittel seiner Prachtentfaltung. Die meisten dieser Raumausstattungen wurden im 19. Jahrhundert zerstört, sind aber durch Aquarelle von Charles Wild dokumentiert.

Die St George’s Hall, die heute nicht mehr in dieser Form existiert, diente als Thronsaal und Versammlungsort des Hosenbandordens. Der Name des Raumes war eine Hommage an den heiligen Drachentöter Georg, den Schutzheiligen des Ordens. Die barocke Deckenmalerei des Saales stammte von dem Italiener Antonio Verrio, einem der wichtigsten Barockmaler des Königshofes. Das zentrale Gemälde der Decke zeigte Charles II quasi gottgleich auf einem Regenbogen. Seit dem Mittelalter wurde Christus in Darstellungen des Jüngsten Gerichts auf einem Regenbogen platziert. Indem Verrio diese Bildformel aufgriff, verherrlichte er das scheinbar unfehlbare Urteil des Königs.

Betrachtet man die Halle als Gegenstück zur King’s Chapel, welche sich direkt gegenüber befand, wird die Bedeutung des Saales als Repräsentationsmittel des Königs noch deutlicher. Nicht nur durch das Deckengemälde, sondern auch durch die Gegenüberstellung von Thron und Altar gelang es Charles II, die göttliche Begnadung seiner Herrschaft zu visualisieren.

 „Virio the Painters Invention is likewise admirable, his Ordnance full & flowing, antique & heroical, his figures move; and if the walls hold […] the work will preserve his name to ages.”
(John Evelyn, Tagebuch, 16. Juni 1683)

L. Kl.

 

Die mit prachtvollen Kronleuchtern und Gemälden bestückte Audience Chamber des Königs.
Charles Wild, Das Audienzzimmer des Königs, 1818 (Kat. Nr. 3.3)

Charles II verfügte in Windsor Castle über zwei Audienzzimmer, das Presence Chamber und das Privy Chamber. Das Privy Chamber, dessen Aussehen durch dieses Aquarell von Charles Wild überliefert ist, war für die vornehmsten Besucher reserviert. Die Ölgemälde an den Wänden, Deckenbilder und reichen Vergoldungen sollten die Gäste beeindrucken. In Wilds Aquarell bildet der Thron des Königs das Zentrum der Aufmerksamkeit, da dieser bei jeder Audienz ebenfalls im Mittelpunkt stand. Antonio Verrio schuf das mittlerweile zerstörte Deckengemälde zwischen 1676 und 1678. Es zeigte die Wiederherstellung der Church of England im Jahr 1660, welche ein zentraler und wichtiger Teil der Restauration Charlesʼ II war. Jeder, der eine Audienz beim König erhielt, wurde somit an dessen doppelte, geistliche und weltliche Führungsrolle erinnert. Seitdem König Henry VIII sich vom Katholizismus abgewandt hatte, waren (und sind) die englischen Monarchen zugleich Oberhaupt der anglikanischen Kirche.

 “On the Ceiling is represented the Establishment of pure Religion in these Nations, on the Restoration of King Charles II. in the Characters of England, Scotland, and Ireland, attended by Faith, Hope, Charity, and the Cardinall Virtues; Religion triumphs over Superstition and Hypocrisy which are drove by Cupids from before the face of the Church; all which appear in proper attitudes, and the whole highly finished.”
(Beschreibung des Deckenbilds durch Joseph Pote in Les Delices de Windsore, 1755)

– L. Kl.

 

Triumphzug über die Meere von Charles II.
Antonio Verrio, Der Meerestriumph von Charles II, ca. 1674/76 (Kat. Nr. 3.4)

Windsor Castle diente als Landsitz des Monarchen, der aber auch für den Empfang von Staatsgästen ausgelegt war. Die wichtigsten Audienzen fanden jedoch in seiner Londoner Residenz Whitehall Palace statt. Da das Gebäude 1698 bei einem Brand fast komplett zerstört wurde, können nur noch wenige erhaltene Ausstattungsstücke einen Eindruck von der einstigen Pracht vermitteln.

Obwohl Antonio Verrios Meerestriumph von Charles II spätestens ab 1688 in Whitehall Palace hing, besitzt das Werk auch einen Bezug zu Windsor. Das großformatige Gemälde diente als ein Probestück, durch das es dem italienischen „Newcomer“ Antonio Verrio gelang, den lukrativen Auftrag für rund zwanzig Deckenbilder in Windsor Castle an Land zu ziehen. Inspiriert war es vermutlich vom Dritten Englisch-Niederländischen Seekrieg , der von 1672 bis 1674 ausgefochten und am 9. Februar 1674 mit dem Friedensvertrag von Westminster beendet wurde.

Verrio stellt König Charles II in antikisierender Rüstung dar. Die weibliche Allegorie des Sieges bekrönt ihn mit einem Helm, während die männliche Personifikation der Zeit einen Lorbeerkranz über ihn hält. Charles wirkt wie ein siegreicher römischer Feldherr, der die Herrschaft über die Meere beansprucht. Ihm zu Füßen sitzen drei Frauen, die seine drei Reiche England, Schottland und Irland repräsentieren. Die dunkelhäutigen Figuren am rechten Bildrand könnten ein Hinweis auf die koloniale Expansion Englands sein. Die lateinische Inschrift besagt, dass Charlesʼ Ruhm sogar bis zu den Sternen reiche.

Charles II kannte die umfangreiche Kunstsammlung seines Vaters  und wusste, dass Kunst nicht nur als schmückendes Beiwerk, sondern auch als Machtdemonstration dienen konnte. Der Dritte Englisch-Niederländische Seekrieg war für England keineswegs so triumphal beendet worden, wie Verrio es dem Betrachter vermitteln will. Der Frieden mit den Niederlanden war eher eine finanzielle Notwendigkeit gewesen und nicht das Ergebnis erfolgreicher englischer Kriegsführung. Umso wichtiger war es für Charles, gegenüber Untertanen und Besuchern seine politische und militärische Stärke zu verdeutlichen.

T. Hi.

 

Schein und Sein: Zurschaustellung von Macht, Geld und Herrlichkeit nach dem Vorbild Versailles

 The government of Charles II “brought a politer way of living that passed into luxury and intolerable expenses”
(John Evelyn, Tagebuch, 4. Februar 1685)

Kombination aus Tisch, Kerzenständer und Spiegel aus Silber.
Unbekannter Kunsthandwerker, Kombination aus Tisch, Kerzenständer und Spiegel, ca. 1670 (Kat. Nr. 3.5)

Die verschiedenen Räume des Palastes hatten genau festgelegte Funktionen. Sie regelten nicht nur den Zugang zum Monarchen, sondern spiegelten auch den Rang der Besucher wider. Je vornehmer ein Gast war, desto weiter wurde er oder sie in die Gemächer vorgelassen. Und je näher ein Zimmer am Audienzzimmer lag, dem wichtigsten Raum bei Hofe, desto teurer und prunkvoller wurde die Ausstattung.

Der König setzte auf wertvollste Materialien wie Gold und Silber, die als Fäden in Wandteppichen, als vergoldete Kerzenhalter, Kronleuchter, Trinkgefäße und Spiegel Verwendung fanden, um Untertanen und ausländischen Besuchern zu verdeutlichen, dass seine Staatskasse gut gefüllt war. Ein besonders häufig vorkommendes „Staatsmobiliar“ war eine Kombination aus Tisch, zwei Kerzenhaltern und einem Spiegel, meist zwischen zwei Fenstern platziert. Das Kerzenlicht wurde vom Silber reflektiert, was einen funkelnden Effekt erzielte. Dadurch wirkte der Raum opulent, teuer und bedeutend, auch wenn die englischen Silbermöbel im Gegensatz zu denen in Versailles zum Großteil nur aus versilbertem Holz bestanden. Auf allen diesen Objekten wurde das Monogramm Charlesʼ II angebracht, um die Erinnerung an seine „Glanzzeit“ auch über seinen Tod hinaus zu bewahren.

T. Hi.

 

WER? Die Botschafter und die Kunst der Diplomatie

Abbildung des Kaufmanns Andrea Odoni mit expressiver Geste.
Lorenzo Lotto, Andrea Odoni, 1527 (Kat. Nr. 3.6)

Kunst konnte nicht nur der Statusdemonstration dienen, sondern auch als Mittel der Diplomatie eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist Lorenzo Lottos Porträt des venezianischen Kaufmanns Andrea Odoni, das Charles II als diplomatisches Geschenk erhielt.

Wie Charles II war Andrea Odoni ein leidenschaftlicher Kunstsammler. Er besaß nachweislich die im Bildvordergrund platzierten Objekte, eine Hadriansbüste und das Fragment einer antiken Venusfigur. Die Statuetten und Fragmente im Hintergrund sind wohl Gipsabgüsse nach dem Vorbild römischer Originale. Odonis Kreuzanhänger und die Statuette der Diana von Ephesus in seiner Rechten visualisieren den Kontrast von heidnischer Götterwelt und Christentum. Der materielle Zerfall der Skulpturen kann als Hinweis auf die Vergänglichkeit der menschlichen Kunst im Gegensatz zur beständigen Natur gelesen werden.

Das Porträt war Teil des sogenannten „Dutch Gift“, das Charles II 1660 anlässlich seiner Thronbesteigung von den States of Holland and West Friesland erhielt. Er fand an diesem Werk besonderen Gefallen und ließ es im Green Chamber in Whitehall Palace, direkt neben seinem privaten Schlafgemach aufhängen. Dennoch verfehlte das Geschenk die erwünschte diplomatische Wirkung. Die Hoffnung auf eine Stabilisierung der fragilen Beziehung zu England verpuffte, als 1665 der Englisch-Niederländische Seekrieg erneut entbrannte.

L. Sch.

 

Mohammed Ohadu auf einem Pferd reitend.
Godfrey Kneller, Mohammed Ohadu, 1684 (Kat. Nr. 3.7)

Zur Regierungszeit Charlesʼ II. befand sich das weltpolitisch noch kleine England im wirtschaftlichen Aufschwung. Dabei spielte Charlesʼ Frau Catherine of Braganza eine zentrale Rolle. Ihre eheliche Mitgift ermöglichte es, den englischen Überseehandel auszubauen. Neben Geld und Handelsprivilegien für Ostindien brachte sie die Kolonialstädte Bombay und Tangier (Tanger) in die Ehe mit ein. Tangier erschien zunächst als strategisch fruchtbarer Handelsstützpunkt. Doch die unterbesetzte Garnison war bald nicht mehr in der Lage, die Stadt zu verteidigen. 1678 wurden über 100 Engländer und Garnisonssoldaten gefangen genommen. Sultan Mulai Ismail entsendete daraufhin Mohammed Ohadu zu Verhandlungen nach England.

Ohadu traf im November 1681 in London ein und blieb bis Juli 1682 dort. In dieser Zeit soll er dem aus Lübeck stammenden Maler Godfrey Kneller Modell gesessen haben. Das große, repräsentative Porträt ist inschriftlich jedoch erst auf das Jahr 1684 datiert. Kneller zeigt den weit gereisten marokkanischen Botschafter wie einen europäischen Herrscher zu Pferd. Damit hielt er die Erinnerung an die viel bewunderten Reitkünste des Gastes wach. Ohadu seinerseits lobte die englische Architektur und das Theater. An den Universitäten zu Oxford und Cambridge kommunizierte er mit arabischen Professoren in seiner Landessprache.

So gelungen der kulturelle Austausch, so enttäuschend war schließlich die Reaktion des Sultans. Der Preis für den Rückkauf der gefangenen Soldaten war schier unbezahlbar. 1684 erfolgte die Rückgabe Tangiers an Marokko.

L. Sch.

 

WIE? Hören und gehört werden: Eine Audienz bei Charles II

Der Einzug Claude-Lamorals I in London.
François Duchatel, Einzug Claude-Lamorals I. von Ligne in London, 1660 (Kat. Nr. 3.8)

Die folgenden beiden Gemälde zeigen, dass auf die Frage, wer den König besuchen durfte, oftmals ein langwieriges „Wie“ folgte. Damals wie heute wurden Staatsbesuche minutiös geplant. Das querformatige Gemälde von François Duchatel zeigt den öffentlichen Einzug des Claude-Lamoral von Ligne in London am 13. September 1660. Der spanische König Philipp IV. schickte den Prinzen als seinen Vertreter, um Charles II zu seiner Thronbesteigung nach dem Exil zu beglückwünschen.

Im Hintergrund erstreckt sich die Stadtvedute des mittelalterlichen London noch vor dem großen Brand von 1666. Rechts ragt der Tower of London in den Himmel, das damals wichtigste Wahrzeichen der Stadt. Zwischen Befestigungsanlage und Ufer setzt sich gerade der Zug von Reitern und Kutschen der spanischen Botschaft in Bewegung. Die stimmungsvoll beleuchteten Wolken scheinen die Spannung der jubelnden Menschenmenge aufzusaugen. Wie bei offiziellen Staatsbesuchen üblich, entsandte der englische König Schiffe zum Kontinent, um seine Gäste über den Kanal zu transportieren. In diesem Fall schickte Charles II seine kostbarsten Galeeren nach Oostende. Eines der Prunkschiffe begrenzt den linken Bildrand.

Besuche von ausländischen Gesandten dienten als Stimmungsbarometer der gesellschaftlichen Akzeptanz und des königlichen Ansehens im In- und Ausland. Sie wurden stets sorgsam durch einen Zeremonienmeister überwacht. Sowohl Charles II als auch seine Gäste maßen solchen Besuchen hohe Wichtigkeit bei.

L. Sch.

 

Gemälde mit der Audienz des Botschafters Claude-Lamoral I, Prince of Ligne, bei König Charles II von England im Banqueting House in Whitehall.
Gillis van Tilborch, Audienz im Banqueting House von Whitehall Palace, 1660 (Kat. Nr. 3.9)

Claude-Lamoral von Ligne genoss den Status eines außergewöhnlichen Botschafters, somit war ein feierlicher Einzug in die Stadt Pflicht. Zudem fand eine offizielle Anhörung beim König statt. Doch vor der feierlichen Zusammenkunft galt es, die angereisten Gäste angemessen unterzubringen. Claude-Lamoral I wurde mit seiner Gefolgschaft drei Tage lang in Camden House bewirtet, wie üblich auf Kosten des Gastgebers Charles II. Am 17. September empfing der König den spanischen Gesandten schließlich im Banqueting House, dem großen Festsaal des Whitehall Palace.

Gillis van Tilborch verewigte den feierlichen Moment in einem großformatigen Gemälde. Es vermittelt eindrücklich die freudige Anspannung der Zuschauer. Dicht an dicht drängen sich die englischen Höflinge im hinteren Bereich des Saals und auf der Empore. Die kostbar gekleideten Mitglieder der spanischen Botschaft stehen aufgereiht vor dem königlichen Thron, der von einem großen roten Baldachin überfangen wird. Aus Respekt vor seinem Gast hat sich Charles II vom Thron erhoben. Er begrüßt den Prinzen von Ligne und hält einen soeben empfangenen Brief von Philipp IV in Händen. Die Beglückwünschung des unlängst gekrönten englischen Königs wird unterstrichen durch festliche Musik. Ein Moment voller Erwartungen ‒ die Faszination des ‚Sehen und Gesehenwerdens‘. Solch festliche Ereignisse dürften auch König Charles II lange in Erinnerung geblieben sein.

L. Sch.

Laura Schneider spricht über die offiziellen Audienzen am Hof Charles’ II.


Charles II_Schneider

 

 

Charles II gibt eine Audienz im Christus Hospital.
Antonio Verrio, Charles II empfängt Mitglieder von Christ’s Hospital, 1680 (Kat. Nr. 3.10)

Charles II traf bei Audienzen auf Menschen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Er kam nicht nur mit hochrangigen Diplomaten und Adligen zusammen, sondern empfing auch Menschen aus dem einfachen Volk und sogar Kranke. Diese Ölskizze zeigt eine Audienz von Schülern, Lehrern und Verwaltern des Christ’s Hospital, einer Londoner Bildungsinstitution für Voll- und Halbwaisen.

Das Waisenhaus war bereits durch König Edward VI gegründet worden. Charles II förderte den Aufbau einer speziellen „Mathematical School“, an der die Schüler für den Dienst in der Royal Navy ausgebildet werden sollten. Verrios Ölskizze diente als Vorstudie für ein monumentales Wandgemälde, das in Christ’s Hospital angebracht werden sollte, um die Dankbarkeit der Institution gegenüber dem königlichen Stifter zum Ausdruck zu bringen.

Obwohl Verrios Werk keinen identifizierbaren Raum abbildet, kann man aufgrund dokumentarischer Quellen davon ausgehen, dass die Audienz in einem königlichen Palast stattfand. Die räumliche Abstufung der Figuren und ihrer Kleidung veranschaulicht das Hierarchiegefälle. Das Historiengemälde gibt also nicht nur über die wohltätigen Aktivitäten des Königs Auskunft, sondern hält auch das höfische Zeremoniell einer Audienzsituation fest.

L. Kl. 

 

Strategische Gespräche mit dem König

 “Did business, though not much, at the office, because of the horrible Crowd and lamentable moan of the poor seamen that lie starving in the streets for lack of money – which doth trouble and perplex me to the heart. And more at noon, when we were to go through them; for then a whole hundred of them followed us, some cursing, some swearing, and some praying to us.”
(Samuel Pepys, Tagebuch, 7. Oktober 1665)

Porträt von Samuel Pepys.
John Hayls, Samuel Pepys im Alter von 33 Jahren, 1666 
(Kat. Nr. 3.11)

Zu den Pflichten des Königs gehörte es, nicht nur Besucher von nah und fern zu Audienzen zu empfangen, sondern sich auch regelmäßig mit seinen Ministern und hohen Verwaltungsmitarbeitern zu besprechen. Zu letzteren zählte Samuel Pepys, der heute vor allem für sein Tagebuch bekannt ist. Minutiös gibt dieser Text über den Zeitraum zwischen 1660 und 1669 Auskunft. Er beschreibt sowohl Privates als auch Begegnungen mit dem König und stadthistorische Wendepunkte wie den Pestausbruch von 1665 und den großen Stadtbrand von 1666.

Pepys arbeitete sich mithilfe seiner ungewöhnlichen Arbeitsmoral, seiner vielfältigen Talente und seiner wertvollen Kontakte bis in die höchsten Ränge der königlichen Marine vor, bis er schließlich zum Secretary to the Board of Admiralty aufstieg, der nur noch dem König unterstellt war. Er beriet Charles II regelmäßig in allen Belangen der Seefahrt und führte nach den verheerenden Englisch-Niederländischen Seekriegen umfassende Reformen ein, um die Marine zu professionalisieren. In diesem Zusammenhang war er an der Gründung der „Mathematical School“  des Christ’s Hospital maßgeblich beteiligt. Außerdem etablierte er Standards für die Ausbildung, die Verpflegung und die medizinische Versorgung der Offiziere und der Mannschaft. Dies gelang ihm so vollkommen, dass man ihn den „Vater der modernen königlichen Marine“ nennt.

T. Hi.

Tina Hiller spricht über den großen Brand von London von 1666, bei dem Samuel Pepys Augenzeuge war.


Hiller

 

 

Eine Landkarte, bildet die Küste von Kalifornien bis Le-Maire-Straße ab.
Basil Ringrose, The South Sea Waggoner, ca. 1682/83 (Kat. Nr. 3.12)

Der englische Freibeuter Basil Ringrose erbeutete mit seiner Mannschaft im Jahr 1681 einen spanischen derrotero oder Waggoner, d.h. ein Buch, das Karten und Routenpläne für die Seefahrt enthält. Dieser derrotero war besonders wertvoll, da er viel detailliertere Segelrouten und -instruktionen enthielt, als den Engländern bis dato bekannt waren. Ringrose übersetzte und kommentierte das spanische Manuskript und versah es mit Zeichnungen in Tinte und Wasserfarben. Das gesamte Werk ist handgeschrieben. Es enthält die frühesten Beschreibungen und Karten der kalifornischen Küste von Kap Mendocino bis Kap San Lucas auf Englisch.

Von dem South Sea Waggoner existieren keine weiteren Exemplare. Das Werk ging erstmals 1992 in den Druck. Es wurde auf Grund seines guten Zustandes wohl auch nie auf See verwendet. Trotzdem ist es eine reiche Quelle an Informationen zur Seefahrt und Kartographie allgemein sowie zu den Eingeborenen des amerikanischen Kontinents, zum Sklavenhandel, Flora und Fauna sowie der physischen Beschaffenheit der Pazifikküste von Nord- und Südamerika. Es ist vorstellbar, dass der South Sea Waggoner Gegenstand einer Unterredung zwischen Samuel Pepys, dem Sekretär der königlichen Marine, und König Charles II gewesen sein könnte.

T. Hi.

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